Sich Sorgen zu machen verhindert nicht, dass die schlechten Dinge passieren, aber es verhindert, dass du die guten Dinge genießen kannst.

Meine Biografie

Holger Dietrich

Ich bin 1965 geboren.

Nach dem Abitur, dem Wehrdienst und einer Ausbildung zum Immobilienkaufmann arbeitete ich seit mehr als 30 Jahren in der Immobilienabteilung eines berufsständigen Versorgungswerkes in Düsseldorf. In den letzten Jahren habe ich mich auch im Personalrat engagiert.

Ich habe es immer gemocht, in engem Kontakt zu den Mieterinnen und Mietern zu stehen. Als dieser Aspekt meiner Tätigkeit in den letzten Jahren immer mehr in den Hintergrund trat, wuchs meine Unzufriedenheit mit der Arbeit.

Eine Rehabilitationsmaßnahme im Herbst 2019 hat mich über eine berufliche Neuausrichtung nachdenken lassen. Ich möchte in Zukunft etwas tun, das mein Leben mit Sinn erfüllt und mir innere Zufriedenheit verleiht.

Ich bin leidenschaftlicher Fußball- und Sportfan, gehe gern in die Oper und bin politisch interessiert. Ich pflege mit Hingabe die Blumen auf meiner Terrasse und koche und backe gern.
Seit fast dreißig Jahren lebe ich mit meinem Mann Thomas in Düsseldorf zusammen, 2017 haben wir unsere Lebenspartnerschaft eintragen lassen und mit einem großen Fest auf einem Rheinschiff gefeiert.

Darüber hinaus engagiere ich mich ehrenamtlich in der psychosozialen Sterbebegleitung am Interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin der Universitätsklinik Düsseldorf (Seite 1 und Seite 2). In diesem Rahmen habe ich den notwendigen Qualifizierungskurs im Bereich des Hospizdienstes abgeschlossen. 

Im Jahr 2021 habe ich zudem meine Qualifizierung in der professionellen Seniorenassistenz Plöner-Modell abgeschlossen. Der Kurs umfasste 120 Stunden sowie eine ausführliche Projektarbeit, für die ich mich mit dem Thema „Selbstbestimmt (feiern) im Alter“ befasst habe.

Wenn ich an ältere und alte Menschen denke, denke ich zuallererst an meinen Freund Ludwig.

Als ich zum ersten Mal einen Senior begleitete

Mein Freund Ludwig

Ludwig habe ich vor vielen Jahren im Urlaub in Andalusien kennengelernt, er wurde ein guter Freund und später mein Trauzeuge.

Ich war häufig im Krankenhaus und später im Pflegeheim, in dem seine Frau Christiane die letzten Wochen ihres Lebens verbracht hat.

Nach Christianes Tod haben Ludwig und ich viel Zeit miteinander verbracht, wir haben dabei über seinen eigenen Todeswunsch gesprochen. Es ist mir nicht gelungen, ihm diesen Wunsch auszureden, aber ich konnte ihm vermitteln, dass er nicht allein war, dass er Freunde hatte und dass es trotz der alles bestimmenden Trauer und Lebensmüdigkeit auch fröhliche, erfüllte, heitere Momente gab.

Meine Begegnung mit dem Holocaust-Überlebenden Sally Perel hat mich nachhaltig geprägt.

Alter erzählt Geschichten

Sally Perel

Ein weiterer älterer Mensch, der mich nachhaltig geprägt hat, ist der Holocaust-Überlebende Sally Perel. Der Jude Sally hat in der Uniform eines Hitlerjungen das NS-Regime auf wahnwitzige Weise überlebt und viele Jahre später seine Erinnerungen in dem Buch „Ich war Hitlerjunge Salomon“ aufgeschrieben (die Verfilmung erhielt einen Golden Globe). Sally hält Vorträge an Schulen, so auch an dem Gymnasium meines Mannes, und daraus entwickelte sich eine Freundschaft, wir haben uns seitdem viele Male auch privat getroffen (weil es in seinem Hotel kein Sky gab, hat er einmal bei uns zuhause mit mir Fußball geschaut und sich über den von mir gemachten Apfelkuchen gefreut), er ist mit uns in die Oper, zu Konzerten und ins Restaurant gegangen. Es ist jedes Mal eine Bereicherung, seinen Erzählungen zu lauschen. Für mich bekamen damit auch die Geschichten meines Vaters eine andere Bedeutung, die mich früher nicht sonderlich interessiert hatten: Er war als Teenager im Rahmen der Kinderlandverschickung in die damalige Tschechoslowakei gekommen, war selbst noch als Soldat im Einsatz und erzählte immer wieder von seinem Fußmarsch nach Ende des Krieges zurück nach Hause. Ich höre einfach gern alten Menschen zu, bin an ihren Lebensgeschichten interessiert, lerne von ihnen.

Nach den letzten Tagen meines Vaters wusste ich, dass ich beruflich meine Richtung ändern möchte.

Initialzündung zur beruflichen Veränderung

Die letzten Tage meines Vaters

Eine weitere Initialzündung, über eine berufliche Veränderung nachzudenken, war der Gesundheitszustand meines Vaters, der sich im Herbst 2018 erheblich verschlechterte. Es wurde klar, dass er nur noch wenige Monate zu leben hatte.

Wir haben in den verbleibenden Monaten viel Zeit miteinander verbracht. Die letzten zwei Wochen habe ich gemeinsam mit meiner Stiefmutter, meinem Mann und einem mobilen Palliativteam meinen Vater Tag und Nacht betreut – eine sehr intensive Zeit. Einen Menschen auf seiner letzten Strecke zu begleiten, da zu sein, ihm zuzuhören, solange es noch ging, ihn zu halten, ihn zu verwöhnen hat mir trotz der Sorge, der Trauer, der Hilflosigkeit auch ein hohes Maß an Zufriedenheit vermittelt. Ich bin rückschauend sehr dankbar für diese Zeit.

Damals habe ich meine Arbeitszeit verkürzt, um mehr für meinen Vater, meine Stiefmutter und meine eigene Mutter da sein zu können. Gleichzeitig wurde mir die Arbeit, das Beschäftigtsein mit Zahlenkolonnen, immer weniger wichtig, es reifte der Wunsch, in der verbleibenden Zeit wieder mehr mit und für Menschen zu arbeiten, kurz: etwas Sinnvolles zu tun.